Presseberichte März 2006
29. März
Hamburger Abendblatt zur Vorzugsvariante
A-39-Trasse spaltet Lüneburg
Autobahn: Landesbehörde will die "Ostvariante". Für Lüneburgs Oberbürgermeister ist die geplante Trassenführung inakzeptabel. Sie führt vorbei an den Toren des Klosters Lüne.
Von Elke Schneefuß
Uelzen - Daß es Verlierer bei der Vorstellung einer Vorzugsvariante für die geplante Autobahn A 39 zwischen Lüneburg und Wolfsburg geben würde, war abzusehen. Doch als die Vertreter der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr zur Eröffnung des Raumordnungsverfahrens gestern in Uelzen ihre Karten auf den Tisch legten, gab es fassungslose Gesichter.
"Der schlechteste aller denkbaren Trassenverläufe für das Oberzentrum Lüneburg", so die ersten Bewertungen hinter den Kulissen, hatte das Rennen gemacht. Die von der Landesbehörde geplante "Ostvariante" der A 39 soll in ihrem geplanten Verlauf nicht nur an den Toren des Klosters in Lüne vorbeiführen, sondern auch in Sichtweite von mindestens zwei Lüneburger Wohngebieten verlaufen.
Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD), bisher Befürworter des Projekts, findet sich nun in den Reihen der Gegner wieder: "Für die Stadt Lüneburg ist diese Planung inakzeptabel." Für ihn hat die brisante Planung doppelte Sprengkraft: Im September möchte der Bürgermeister wiedergewählt werden. Zuvor sollte ein neu ausgewiesenes Baugebiet im Nordosten der Stadt für etwa tausend Neubürger geschaffen werden. Die Erschließung dieses ehemaligen Bundeswehrgeländes sollte die Konversion militärischer "Altlasten" auf Lüneburger Gebiet abschließen. Bisher galt die Arbeit der Stadtverwaltung, die bereits ein komplettes Kasernengelände zu einer Universität umgestaltet hatte, als vorbildlich. Ob Mädge sein Projekt nun wird fortsetzen können, erscheint fraglich: "Die bisherige Autobahnplanung behindert die Stadtentwicklung im Osten der Stadt ganz erheblich", sagt er. Die Stadt will sich nicht geschlagen geben und schließt eine Klage nicht aus.
Der jetzt öffentlich gewordene Behördenplan dürfte, auch wenn Änderungen der Trassenführung noch möglich sind, für Unmut in der Region sorgen. Denn auch an dem zwanzig Kilometer südlich gelegenen idyllischen Kurort Bad Bevensen schlängelt sich die geplante Trasse eng vorbei.
Die A 39 ist seit langem ein äußerst umstrittenes Verkehrsprojekt. Die Nationalsozialisten waren in den 1930er Jahren die ersten, die eine "Nordlandautobahn" ins Auge faßten - mit ihr sollte die Autostadt Wolfsburg einen schnellen Zugang zu den Ostseehäfen bekommen. In den 1970er Jahren lebte die Planung wieder auf, scheiterte aber an der Ölkrise und später am Widerstand der Grünen.
Dennoch arbeitete sich das Projekt langsam bis in den Bundesverkehrswegeplan vor, in den es 1992 aufgenommen wurde. Obwohl die vom Bundesministerium für Verkehr in Auftrag gegebene, sogenannte "VONU" (Verkehrsuntersuchung Nordost) im Jahr 1995 den Ausbau von Bundesstraßen in der Region als kostengünstiger empfahl, blieb die A 39 auf der Tagesordnung.
Als 2004 mit der Eröffnung der Behördenverfahren offiziell die Geschichte der insgesamt 110 Kilometer langen und 608 Millionen Euro teuren Trasse begann, formierten sich die Befürworter und die Gegner. Während die einen auf eine Verbesserung der Verkehrswege im strukturschwachen Nordosten Niedersachsens hoffen, halten die Gegner die A 39 für eine "Lobbyistenpiste": "Niemand außer den Spediteuren und den Autobauern in Wolfsburg wird von dieser Trasse wirklich profitieren", sagt Friedhelm Feldhaus, Pressesprecher der Bürgerinitiative gegen die A 39.
Kommunalpolitiker und regionale Wirtschaftsverbände dagegen wollen das "Autobahnloch" im Nordosten Niedersachsens stopfen, um die angrenzenden Landkreise Gifhorn, Uelzen und Lüneburg dichter an die Metropolregion und den Hafen Hamburg anzuschließen. Von einem "neuen Zugang zum weiter wachsenden Europa" spricht auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU). Daß die Verkehrssituation im Nordosten Niedersachsens verbesserungsbedürftig ist, sehen auch die Autobahngegner: Um die Anwohner der von mautflüchtigen Lastwagen überfluteten Bundesstraße 4 zu entlasten, fordern sie den Bau von Ortsumgehungen. Für die Befürworter der A 39 ist das keine Alternative: Sie gehen davon aus, daß ein weiter steigendes Verkehrsaufkommen von mehrspurigen Bundesstraßen nicht aufgenommen werden kann. Die Landesbehörde für Straßenbau hält den Neubau einer A 39 für die günstigste Variante. "Es geht uns darum, eine verträgliche Linie zu finden", so Friedhelm Fischer, Leiter der Landesbehörde. Ob das mit der vorgeschlagenen "Ostvariante" gelungen ist?
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