Kommt beim Einspritzen ein Teil der Schmelze mit der relativ kalten Wand des Hohlraumes in Berührung, kühlt die Schmelze ab und wird zäher. Die Masseteilchen im Randbereich weisen eine geringere Fließgeschwindigkeit als die Masseteilchen im Inneren des Hohlraumes auf. Dort bleibt die Schmelze länger flüssig und eilt den Masseteilchen am Rand vorraus, was im Laufe des Einspritz-, Nachdruck- und Abkühlvorganges zu einer zunehmenden Streckung und Scherung führt. Im Inneren der Kavität wird während der Formfüllung weniger Wärme entzogen. Die höhere Temperatur und die längere Erstarrungszeit bewirken eine stärkere Relaxation (relax= entspannen), sodass das Formteilinnere nach der Abkühlung eine deutlich geringere Orientierung aufweist'''(Bild 3)'''. Durch die Abkühlung an der kalten Werkzeugwand bleiben die gescherten und gedehnten Masseteilchen in ihrer aufgezwungenen (orientierten) Lage. Sie sind jedoch bestrebt sich wieder in ihre Ausgangslage, also in den amorphen Zustand, zurückzuformen. Dieser Vorgang führt zu stärkerer Schwindung und Verformung in Orientierungsrichtung als Quer dazu. Auch die Gebrauchseigenschaften des Werkstückes (z.B. Zugbeanspruchung) sind von der Orientierungsrichtung abhängig.
=== <u>Kristallisationsgrad</u> ===
Setzt man das Volumen des kristallinen Bereiches in das Verhältnis zum Gesamtvolumen, dann erhält man den Kristallisationsgrad α. Seine größe hängt von der Molekülstrucktur der Formmasse und von den erwähnten Arbeitsbedingungen ab. Unterdrückte Kristallisation führt zur Nachkristallisation, die berits bei Gebrauchstemperatur eintreten kann. Durch lagern des entformten Spritzgießteiles bei hohen Temperaturen (z.B. 140°C) kann dieser Vorgang beschleunuigt werden '''(Tempern)'''.
=== Fließverhalten ===
Beim Eintreten der Schmelze in den Formhohlraum sollte sich die Formmasse im Idealfall mit einer gleichmäßigen '''Fließfront''' vorwärts bewegen '''(Bild 1a)'''. Durch diesen sogenannten Quellfluss erreicht man, das die Schmelze zuerst außen an der Wandung erstarrt.Durch die Isolierwirkung der erkalteten Masse bleibt dann die Schmelze im inneren länger flüssig und bleibt eine '''plastische Seele''', sodass ein Nachfließen der Schmelze für längere Zeit möglich ist und das Verschweißen der einzelnen Fließschichten im gleichen Zustand erfolgen kann '''(Bild 1b)'''.
{{Mark
|Reißt die Fließfront auf, so ergibt sich ein voreilender Strang, der sich im Formhohlraum querlegt, abkühlt und mit der folgenden Schmelze nicht mehr so gut verschweißt. Dies führt zu schwachstellen im Spritzgießteil '''(Bild 2)'''.}}