Quelle: Römpp Lexikon Chemie – Version 2.0, Stuttgart/New York: Georg Thieme Verlag 1999
Peptide
(von griech.: peptos = verdaulich). Bez. für durch Peptid-Bindungen Säureamid-artig verknüpfte Kondensationsprodukte von Aminosäuren.
Abb.: Allg. Strukturformel der Peptide.
Bauen sich die Mol. aus 2 Aminosäure-Resten auf, so spricht man von Dipeptiden, bei 3 u. mehr von Tri-, Tetra-, Pentapeptiden etc.; P. mit 2–10 Aminosäure-Resten faßt man als Oligopeptide, solche mit 10–100 als Polypeptide zusammen, doch ist der Übergang von den letzteren zu den höhermol. Proteinen (Eiweißstoffen) nicht genau definiert. P. mit Bindungen zwischen den seitenständigen Amino-Gruppen von Diaminocarbonsäuren (z. B. Lys) u. seitenständigen Carboxy-Gruppen von Aminodicarbonsäuren (z. B. Glu, Asp) statt der üblichen Peptid-Bindungen zwischen a-NH2 u. -COOH nennt man Isopeptide; die von mehrfunktionellen Aminosäuren wie Glu, Asp, Lys, Arg u. Desmosin ausgehenden zusätzlichen Bindungen sind für die Entstehung von P.-Netzstrukturen verantwortlich. P., deren Aminosäure-Sequenz relativ zu einem bestimmten anderen P. die gegenläufige Reihenfolge an Aminosäuren aufweisen, werden als Retropeptide bezeichnet. Zur Schreibung von P.-Formeln benutzt man meist 1- od. 3-Buchstaben-Notationen für die Aminosäuren, s. die Liste dort. Z. B. stehen AG od. Ala-Gly für L-Alanylglycin [H2N–CH(CH3)–CO–NH–CH2–COOH] u. GA od. Gly-Ala für isomeres Glycyl-L-alanin [H2N–CH2–CO–NH–CH(CH3)–COOH]; falls nicht anders gekennzeichnet (etwa durch: Gly¬Ala), steht links die (freie od. protonierte) Amino-Gruppe u. rechts die (freie od. deprotonierte) Carboxy-Gruppe.
Biolog. Bedeutung: Auf die Bedeutung der makromol. P. für pflanzliche u. tier. Organismen wird bei Proteine ausführlich eingegangen. Eine gleichermaßen spezif. Rolle spielen Oligo- u. Polypeptide im tier. Organismus z. B. als Hormone (Peptidhormone), Wachstumsfaktoren, Cytokine, Neurotransmitter u. Neuromodulatoren (Neuropeptide). Für die physiolog. Wirkung der P. ist neben der Konfiguration die Konformation u. die mol. Dynamik von Bedeutung, u. natürlich benötigen die P., um als Mediatoren wirksam werden zu können, spezif. Rezeptoren. Bei der Zell-vermittelten Immunantwort werden Antigene (Fremd-Proteine) von Antigen-präsentierenden Zellen zu P. (Antigen-Peptide, T-Zell-Epitope) abgebaut, von Histokompatibilitäts-Antigenen komplexiert u. so an der Zelloberfläche den T-Lymphocyten zum „Abtasten“ dargeboten; von außen verabreichte P. (peptide feeding) werden ebenfalls präsentiert. Auch von körpereigenen Proteinen abgeleitete Selbst-P. werden präsentiert, was in der Frühphase der T-Zell-Entwicklung für die Entstehung von Selbst-Toleranz von Bedeutung ist. P.-Ester können für süßen (Aspartame®) od. bitteren Geschmack verantwortlich sein, u. wieder andere P. treten als Toxine pflanzlichen od. tier. Ursprungs in Erscheinung. Auch unter den Antibiotika finden sich eine Reihe von P. (Peptid-Antibiotika ), die z. T. Aminosäuren der „unnatürlichen“ D-Konfiguration enthalten, ggf. auch Hydroxycarbonsäuren, die über Esterbindungen verknüpft sind (Peptolide). Viele der physiolog. aktiven P. liegen als homodete od. heterodete Cyclopeptide vor.
Analytik : Zum qual. Nachw. von P. sind einige der auch auf Aminosäuren anwendbaren Meth. geeignet, ferner die Biuret-Reaktion, die zusammen mit Folins Reagenz (s. dort Punkt 4) auch zur quant. Bestimmung geeignet ist (Lowry-Methode). Die Bestimmung der Aminosäure-Zusammensetzung von P. ist erst nach hydrolyt. Spaltung möglich, die chem. od. enzymat. mit Proteasen vorgenommen werden kann. Hochauflösende Auftrennungen u. Charakterisierungen von P.-Gemischen können mit HPLC, Kapillarelektrophorese u. Massenspektrometrie erfolgen. Zur Trennung der Aminosäuren bedient man sich chromatograph. Meth. (Dünnschicht-, Gas- u. Ionenaustauschchromatographie, HPLC). Die Ionenaustauschchromatographie hat bes. breite Anw. gefunden u. ist als Moore-Stein-Analyse automatisiert worden. Einen Aufschluß über den tatsächlichen Aufbau von P., d. h. über die Art der Verknüpfung der Aminosäure-Bausteine miteinander, erhält man aber erst durch die Sequenzanalyse, denn schon 2 Aminosäuren (z. B. Glycin u. Alanin) können ja zu zwei verschiedenen Dipeptiden (s. oben) zusammentreten. Die Sequenzanalyse ist prinzipiell eine Meth. der Endgruppenbestimmung, bei der die Peptid-Kette wiederholt an einem Ende (meist der freien Amino-Gruppe) um jeweils einen Aminosäure-Rest verkürzt wird (z. B. mit Aminopeptidasen). Zum Markieren der Endgruppe führte Sanger 1945 bei der Insulin-Analyse das 1-Fluor-2,4-dinitrobenzol ein, das sich mit den endständigen Aminosäuren zu 2,4-Dinitrophenyl(Dnp)-Aminosäuren umsetzt, die nach Hydrolyse einzeln nachweisbar sind. Eine Weiterentwicklung ist die Dansylchlorid-Meth., bei der Dansyl-Aminosäuren anfallen. Da sich beim P.-Abbau die Reaktionsschritte wiederholen, sind schon früh Ansätze zur Mechanisation u. Automation der Abläufe gemacht worden. Insbes. für den Edman-Abbau sind selbständig arbeitende Geräte in Benutzung, die den Zeit- u. Substanzbedarf für eine P.-Sequenzanalyse auf einen Bruchteil des früher benötigten reduzieren – Sequenzanalysen sind heute schon mit Nanogramm-Mengen (pmol-Bereich) möglich. Bei der Analyse der Primärstruktur der P., wie die Aminosäure-Sequenz auch bezeichnet wird, leistet auch die Massenspektrometrie gute Dienste. Die Untersuchung der Sekundär- bis Quartärstrukturen (Näheres s. Proteine) bedient sich vorwiegend physikal. Meth. wie des Circulardichroismus, der Röntgenstrukturanalyse od. NMR-Spektroskopie.
Herst.: Auch bei der Synth. ist der zeitliche Aufwand aufgrund der Entwicklung automat. Verf. u. der Festphasen-Technik (Merrifield-Technik) ungleich geringer geworden. Für die Herst. biolog. aktiver u. pharmakolog. nutzbarer P. werden heute neben der chem. Peptid-Synthese in zunehmendem Maße Meth. der Biotechnologie u. Gentechnologie eingesetzt, was z. B. auf dem Gebiet der Peptidhormone bereits zu Erfolgen geführt hat.
Biosynth.: Meist durch enzymat. „Resektion“ aus Proteinen, die nach Maßgabe des genetischen Codes (Näheres s. dort) u. der Sequenzinformation der Messenger-Ribonucleinsäuren in den Ribosomen gebildet werden, vgl. Peptidhormone. In manchen Fällen findet jedoch durch nicht-ribosomale Enzyme eine Biosynth. von P. aus den Aminosäuren statt .
Verw.: Zur Hormonsubstitution (Insulin) bzw. als rezeptorselektive Medikamente, die man auch durch gezieltes drug design zu entwickeln hofft. Außerdem werden zur Identifizierung möglicher therapeut., antigener od. anderweitig biolog. aktiver P. mit Hilfe der kombinator. Chemie u. Gentechnologie Zufallsmischungen von P. hergestellt u. in verschiedener Form (z. B. lösl., Polymer-gebunden, auf Phagen) als P.-Bibliotheken verwendet . Der Anw. als Impfstoffe steht noch die mangelnde Reaktion des Immunsystems v. a. auf monomere P. im Wege; zur erfolgreichen Immunisierung müßten die betreffenden P. als B- u. T-Zell-Epitope geeignet sein (vgl. oben). Wegen ihrer Verdaulichkeit u. schlechten Resorption müssen P.-haltige Arzneimittel im allg. parenteral verabreicht, z. B. injiziert od. inhaliert , od. oral als Prodrugs od. Peptidomimetika (peptidähnliche Substanzen) appliziert werden. Zur parenteralen klin. Ernährung kommen synthet. Dipeptide in Betracht .