Wasserstrahlschneiden

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Geschichte des Wasserstrahlschneidens


Der Flugzeughersteller Boing benötigte für den Bau von Flugzeugen eine Maschine, welche Verbundwerkstoffe schneiden konnte. Zu diesem Zweck rief Boing ein Forschungsprojekt zum bearbeiten von Schichtwerkstoffen und Faserverbundstoffen ins Leben. Ein daran arbeitender Prof. der Universität von Britisch Columbia patentierte dann 1968 das Wasserstrahlschneiden. Drei Jahre Später war die Technik marktreif. Die schwedische Firma Ingersoll Rand (heute KMT) hat im Jahr 1971 die erste einsatzfähige Wasserstrahlschneideanlage geliefert. Sie erlaubte es Werkstoffe wie Metalle, Kunststoffe, Faserverbundstoffe zu schneiden. 1979 wurde das Abrasivstrahlschneiden von Mohamed Hashish eingeführt, der für die Firma FLOW International Inc. mit Sitz in Kent / USA arbeitete. Auch neue Verfahren wie etwa das „Dynamic Waterjet“ Verfahren, welches es ermöglicht den Winkelfehler der Schnittkante zu korrigieren, wurden von der Firma entwickelt und auf den Markt gebracht.


Das Verfahren


Mittels Hochdruckpumpe wird ein Wasserstrahl auf 4000 bar, bei der neuesten Maschinengeneration sogar auf bis zu 6000 bar, komprimiert. Je nach Anforderung und Werkstück wird das Wasser dann durch eine Düse mit 0,3 bis 1,05 mm Durchmesser gepresst. Der Schneidstrahl wird auf eine Geschwindigkeit von 1000 m/s beschleunigt, bezogen auf Luft entspricht das etwa der dreifachen Schallgeschwindigkeit. Es werden, abhängig von den zu schneidenden Stoffen, Schnittgeschwindigkeiten bis zu 20 m/min erreicht. Verschiedenste Materialien in Stärken bis zu 200 mm werden dann von der kinetischen Energie, welche in Abtragearbeit umgewandelt wird, geschnitten. Dieses geschieht ohne Gefügeveränderungen und zählt somit zu den Kaltschneideprozessen. 2-D- und 3-D-Bearbeitungen mittels 3- bzw. 5-achsigen Anlagen sind möglich. Weder giftige Dämpfe oder Gase, noch Staub oder Späne entstehen unter Verwendung von Naturstoffen wie Wasser und Sand.

Im Link wird anschaulich die Funktionsweise einer Wasserstrahschneidemaschine erklärt.

Video zum Thema Wasserstrahlschneiden auf Youtube


Es gibt folgende Verfahrensarten

  • Reinwasserschneiden
  • Abrasivschneiden
  • Micro-Wasserstrahlschneiden


Reinwasserschneiden:

Das Material wird ausschließlich mit reinem Wasser geschnitten. Beim Schneiden mit einem Reinwasserstrahl erodiert der Überschallstrahl das zu bearbeitende Material. Bei Materialien wie Balsaholz, Sperrholz, Kohlefaserstoffe, GFK, Kunststoffe, Textilien, Dichtungsmaterial wie Glas- und Steinwolle, Gummi oder Schaumstoffen eignet sich das Reinwasserschneiden hervorragend. Jedoch hat diese Technik bei harten Materialien (z.B. Stahl oder Granit) eine sehr begrenzte Schneidleistung. Es gibt zwei typische Eigenheiten auf die ein Wasserstrahlanwender beim Schneiden mit Wasser stoßen kann: Strahlnachlauf und Winkelfehler. Der Strahlnachlauf tritt dann auf, wenn am Eintrittspunkt des Strahles schneller geschnitten wird als am Austrittspunkt. Dies geschieht, weil der Strahl die größte Energie beim Eintritt ins Material aufweist und etwas von der Strahlenergie beim Austritt aus dem Material verloren geht. Die Genauigkeit wird schlechter und Fehler an der Teilekontur sind sichtbar. Der Winkelfehler ist ein V-förmiges natürliches Ereignis, das durch die abnehmende Energie des Wasserstrahls beim Durchtrennen des Materials auftritt. Beides, sowohl der Strahlnachlauf als auch die konische Schnittkante, können signifikant reduziert werden, indem die Schneidgeschwindigkeit verringert wird.

1.Wasser unter Hochdruck 2.Reinwasserdüse 3.Abrasiv 4.Abrasivfokussierdüse 5.Führung 6.Schneidstrahl
7.zu schneidendes Material



Abrasivschneiden:

Dem Wasser wird beim Abrasivschneiden ein Schneidmittel wie z.B. Sand oder Granatsand beigesetzt, welches in der Regel per CNC gesteuert wird. Die hohe Qualität der Schnittkante ähnelt einer sandgestrahlten Oberfläche. Je nach Material und Stärke des Werkstücks wird das Abrasiv vor dem Austritt des Strahls vollautomatisch beigemischt. Durch Zugabe von Abrasivmitteln wird die Microzerspanung am Werkstoff erhöht - in diesem Fall dient der Wasserstrahl lediglich zur Beschleunigung der Feststoffpartikel. Selbst bei harten Materialien wie Granit, Marmor, Edelstahl, Verbund- oder Panzerglas, wird durch diese Beimengung eine hohe Schnittqualität erziehlt.



Mikro-Wasserstrahlschneiden:

Werkstück einer Mikrowasserstrahl-
schneidemaschine

Durch ein sehr feinkörniges Abrasiv und ein reduzieren des Durchmessers des Wasserstrahls von 0,5 mm auf 0,3 mm erreicht man Positionsgenauigkeiten von unter 1μm. Mit dem Mikro-Wasserstrahlschneideverfahren lassen sich z.B. auch leitende oder hitzeempfindliche Werkstoffe fertigen, die beim normalen Wasserstrahverfahren nicht möglich wären. Die reproduzierbare Maschinenfähigkeit liegt bei ± 0,01 mm. Außer einer speziell etwickelten Maschine, welche zum Beispiel ein stabiles Maschinenbett und ein beidseitig gelagertes und über Kugelrollenspindeln angetriebenes Portal hat, ist für diese Genauigkeiten auch eine angepasste Umgebung erforderlich. Fertigungsräume müssen klimatisiert sein, da Temperaturschwankungen die Präzision der Maschine beeinflussen. Auch das Wasser im Schneidbecken sollte auf konstanter Temperatur gehalten werden, um somit die Wiederholgenauigkeit zu steigern. Dies hat sich vor allem bei Teilen mit hohem Wärmeausdehnungskoeffizienten, wie sie z.B. bei Polymeren zu finden sind, bewährt. Würde die Temperatur nicht geregelt werden, könnte sich das Wasser von ca. 20°C Starttemperatur während des Schneidvorganges durchaus auf über 40°C erwärmen.

Anwendungen der Wasserstrahlschneidetechnik


Mit dem Wasser- oder Abrasivstrahl sind der Werkstoff- und Konturenvielfalt fast keine Grenzen gesetzt. Mittels Wasserschneideverfahren lässt sich nahezu jedes Material bearbeiten. Anwendungsbereiche reichen von der Fahrzeugindustrie, Flugzeug- und Raumfahrtindustrie, Elektroindustrie, Medizintechnik, Künstler, Architektur über die Glasindustrie zum Stahl- und Maschinenbau bis zur Bearbeitung und Fertigung von Stein, Logos und Dichtungen.


Vor- und Nachteile der Wasserstrahlschneidetechnik


Vorteile:

Da das Wasserstrahlverfahren ein Kaltschneideverfahren ist, werden die Materialien keinen thermischen Einflüssen an der Schnittkante ausgesetzt. Da kein Anpressdruck auf den Werkstoffen entsteht, wird eine Materialverletzung auf der Oberfläche vermieden. Auch müssen bei der Bearbeitung von kunststoffbeschichteten Metallen keine Veränderungen oder Ablösen von Schichten an der Oberfläche befürchtet werden, wie sie z.B. von Spänen zu erwarten wären. Besondere Stärken des Wasserstrahlschneidens liegen bei der Bearbeitung metallischer Werkstoffe, insbesondere von Nicht-Eisen-Metallen wie Messing, Aluminium, Titan, Bronze, oder Kupfer. Während sich diese Materialien mit anderen Schneidtechniken relativ schwer ohne Materialbeeinflussungen in Form bringen lassen, ist ein Wasserstrahl in diesem Bereich buchstäblich in seinem Element. Es werden weder Verwindungen oder Aufhärtungen des Materials, noch gasförmige Emissionen oder eine tropfende Schmelze verursacht. Ab Materialstärken von 0,5 mm können Werkstoffe problemlos per Wasserstrahl in hohen Schnittgeschwindigkeiten bearbeitet werden. Trotz hoher Kinetischer Energie bleiben keine Grate oder angefranzte Schnittkanten zurück, was eine Nachbearbeitung fast komplett hinfällig macht. Die entstandene Schnittfuge, welche nur so breit wie der haarfeine Wasserstrahl ist, lassen minimalste Radien und komplexe Schneidformen oder Schnitte mitten im Werkstück zu. Es lassen sich sämtliche konturen schneiden, die via CAD eingelesen werden können.


Nachteile:

Der größte Nachteil ist die permanente Berührung der Materialien mit dem Schneidmedium Wasser. Hierbei kann es zu Reaktionen zwischen feuchtigkeitsempfindlichen Materialien und dem Wasser kommen. Zum Beispiel sind Werkstoffe wie weiches Holz weniger zur Bearbeitung an einer Wasserstrahlschneidanlage geeignet, da diese das Wasser teilweise aufsaugen und zu einer negativen Beeinflussung des Werkstoffes führen würden. Mit Zunahme der Schnittgeschwindigkeit leidet die Schnittqualität, wodurch es teilweise zu zeitlichen Einschränkungen kommen könnte. Hiervon wären insbesondere enge Radien und Ecken aufgrund des Nachlaufs beim Austritt der Wasserstrahls betroffen. Es könnte bei Edelstahl zur Bildung von Flugrost kommen. Hohe Schallemissionen sind möglich. Das Wasser muß, bevor es der Pumpe wieder zugeführt wird, aufbereitet und gefiltert werden. Die maximale Schneiddicke ist zur Zeit auf ca. 200 mm begrenzt. Bei zunehmender Materialdicke verliert der Schneidstrahl an Energie, was die Schnittqualität ebenfalls beeinflusst und herabsetzt. Verschleißteile wie Schneidkopf und Pumpe müssen, je nach Einsatz, relativ häufig erneuert werden.


Vor- und Nachteile am Beispiel Wasserstrahlschneiden / Laserstrahlschneiden


Je nach Materialart, Blechdicke, Geometrie, Stückzahl oder Schnittqualität des zu fertigenden Teils liegen die Vorteile hinsichtlich Wirtschaftlichkeit oder Schnittqualität mal beim einen, mal beim anderen Verfahren. Das Wasserstrahlschneiden ist vor allem dann die richtige Wahl, wenn nichtmetallische Materialien in Form gebracht werden müssen. Auch dicke Materialstärken kann der Wasserschneidestrahl besser bearbeiten, da der Laserstrahl, je nach zu schneidendem Material, bei Stärken von 40 mm an seine Grenzen stößt. Beim Wasserstrahlschneiden wird keine Schlacke produziert und damit auch kein Schlackeabfall – ein unerwünschtes Nebenprodukt von Laserschneidprozessen. Stark reflektierendes Material könnte den Laserstrahl zurück lenken und zu Beschädigungen an der Maschine führen. Auch ist der Wasserstrahl bei unerwünschter Randzonenaufhärtung, welche beim Laserstrahl bedingt durch seine Hitzeentwicklung entstehen, die bessere Wahl. Beim Laserstrahlschneiden ist eine Nachbearbeitung der geschnittenen Werkstücke von nöten. Geringe Spaltbreiten beim Laserschneiden ermöglichen komplexe, filigrane und genaue Bauteilkonturen. Toleranzen von ± 0,05 mm sind möglich. Beim Laserstrahlschneiden sind im Dünnblechbereich bis etwa 2 mm Schneidgeschwindigkeiten von über 30 m/min prozesssicher möglich.


Ausblick in die Zukunft


Mit der Etablierung neuer Werkstoffe wie Verbundwerkstoffen oder Titan-Aluminiumlegierungen wird dem Wasserstrahlschneiden immer größere Bedeutung zukommen. Die Eigenschaften von Spezialwerkstoffen machen die Bearbeitung mit traditionellen Fertigungsverfahren ebenso wie durch Laser- oder Plasmaschneiden oft schwierig oder unmöglich. Für das Wasserstrahlschneiden stellt dies ein enormes Zukunftspotenzial dar.


Weblinks

http://www.ipt.fraunhofer.de/de/kompetenzen/Dienstleistungen/Wasserstrahlschneiden.html
http://www.industrieanzeiger.de/home/-/article/12503/28795497/
http://www.kjellberg.de/Schneidtechnik/Plasma/Verfahren/Andere-Verfahren/Wasserstrahlschneiden-.pdf
http://www.halderschneidtechnik.de/wasser-abrasivstrahlschneiden.html
http://www.maschinenmarkt.vogel.de/themenkanaele/produktion/trenntechnik/articles/333693/
http://de.wikipedia.org/wiki/Wasserstrahlschneidemaschine
http://www.flowwaterjet.com/de-DE/waterjet-technology/comparative-cutting.aspx
http://www.lampe-wasserschneidtechnik.de/wasserstrahlschneiden-vs-laserschneiden.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Laserschneiden


Literatur

Wasserstrahlschneiden.jpg
Marcel Kolb:Wasserstrahlschneiden: Materialbearbeitung mit einem Hochdruckwasserstrahl

ISBN: 3937889477